Mit dem Landbus um die Welt

Sonnendurchfluteter Raum propter homines im Festspielhaus Bregenz © Dominic Kummer

Sich als verantwortungsbewusste Verkehrsteilnehmer zu outen, gilt mittlerweile als cool

Vorarlberg ist, neben vielen anderen, besonders für zwei Stärken bekannt. Zum einen für sein exzellent ausgebautes öffentliches Verkehrsnetz und dann noch für eine starke Affinität zum Bauen beziehungsweise zur Architektur. Ersteres hat das Image von Bus und Bahn gegenüber dem des Individualverkehrs in den letzten beiden Jahrzehnten enorm aufgewertet. Und zwar mit dem Effekt, dass sich in Vorarlberg auch gestandene Autofahrer nicht mehr genieren, hin und wieder in einem Bus erwischt zu werden. Sich auf diese Art als verantwortungsbewusste Verkehrsteilnehmer zu outen – nicht nur in der Freizeit, auch auf dem Weg zur Arbeit –, gilt mittlerweile als cool.

Was das Bauen angeht, waren die Vorarlberger immer schon zielstrebig, qualitätsbewusst und eigenwillig. Am Klischee, dass die Menschen hier mit dem Gedanken an ein Einfamilienhaus auf die Welt kommen, ist durchaus etwas dran. Über die Frage, aus welcher Quelle diese Leidenschaft immer wieder neu gespeist wird, könnte man lange theoretisieren, was sie praktisch bewirkt hat, ist heute an den vielen architektonischen Kostbarkeiten im ganzen Land konkret erlebbar.

In Bregenz zum Beispiel sind es nicht nur das Kunsthaus von Peter Zumthor, das vorarlberg museum von Andreas Cukrowicz und Anton Nachbaur und natürlich das Festspielhaus, das seine heutige Form Helmut Dietrich und Much Untertrifaller zu verdanken hat, nein, sogar das Finanzamt ist in einem vom französischen Stararchitekten Jean Nouvel entworfenen Gebäude untergebracht. Aber auch in kleinen Gemeinden wird die Gestaltung vermeintlicher Zweckbauten wie Schulen, Gemeindeämter oder Feuerwehrhäuser Baukünstlern und Handwerkern anvertraut, denen an einer zeitgenössischen Formensprache und am klugen Einsatz hochwertiger Materialien gelegen ist. Einfach irgendetwas Gewöhnliches hinzustellen, geht in Vorarlberg kaum noch, dafür haben, unter vielen anderen, auch die genannten Beispiele mittlerweile eine zu starke Vorbildwirkung.

Eines der interessantesten Projekte, das in diesem Zusammenhang in den letzten Jahren umgesetzt wurde, ist – sinnfälliger könnten die eingangs behaupteten Stärken Vorarlbergs nicht unter Beweis gestellt werden – eine Symbiose aus Baukunst und öffentlichem Verkehr.

Architektonisch extravagante Bushalte-Stelle im Bregenzer Wald von De Vylder Vinck Taillieu © Gerhard Klocker
© Gerhard Klocker

Wartehüsle

Die Gemeinde Krumbach im vorderen Bregenzerwald hat gemeinsam mit einem privaten Kunstverein sieben internationale Architekturbüros beauftragt, je eine der Landbus-Haltestellen des Ortes mit einem eigens entworfenen "Wartehüsle" auszustatten. Entstanden ist eine Art befahr bare internationale Architekturausstellung, deren Exponate gleichermaßen praktisch genutzt wie einfach nur bestaunt werden können. Und jedem, der sich zu einem Besuch entschließt (wer brav ist mit dem Bus, einfacher geht’s leider mit dem Auto) sei noch die verblüffende Information mit auf den Weg gegeben, dass sich alle beteiligten Architekten und Architektinnen – namentlich Alexander Brodsky aus Russland, Rintala Eggertsson Architects aus Norwegen, Architecten de Vylder Vinck Taillieu aus Belgien, Ensamble Studio Antón García-Abril & Débora Mesa aus Spanien, Smiljan Radic aus Chile, Amateur Architecture Studio Wang Shu & Lu Wenyu aus China sowie Sou Fujimoto aus Japan – auf den Deal: Bushüsle gegen ein paar Tage Urlaub im Bregenzerwald eingelassen und auf ein Honorar verzichtet haben. So eine Überzeugungskraft (oder Überredungskunst) entwickelt der Mensch nur, wenn er sich seiner Stärken bewusst ist, soviel steht fest.

(wm) / 22.10.2018

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Sonnendurchfluteter Raum propter homines im Festspielhaus Bregenz © Dominic Kummer
Mit dem Landbus um die Welt © Gerhard Klocker
© Gerhard Klocker